„Welche Sprachen beherrschen Sie?“
Eine beliebte Frage in den verschiedensten Fragebögen, die uns im Alltag begegnen. Als Erwachsener beeindruckt man Vorgesetzte, Kunden oder Firmenpartner unglaublich schnell mit gutem Sprachgefühl. Das Beherrschen mehrerer Sprachen, sei es nun englisch, spanisch oder exotische Sprachen gilt stets als zusätzliche Qualifikation.
Natürlich wünschen wir uns deshalb für unsere Kinder, dass sie es möglichst einfach haben, mehrere Sprachen zu erlernen. Das zweisprachige Erziehen ist hier die naheliegendste Option, die ein hohes Niveau an Sprachfertigkeiten in gleich zwei Sprachen und eine perfekte Basis für spätere weitere Sprachen bildet. Doch das Thema „Zweisprachig Erziehen“ gilt es intensiv zu überdenken, denn zweisprachig zu erziehen ist nichts, dass man mal so eben nebenbei macht. Neben den vielen Vorteilen, gibt es durchaus auch Nachteile die entstehen können, wenn man bei der Sprachvermittlung grundsätzliche Fehler begeht.
Vorteile zweisprachiger Erziehung
- Berufliche Vorteile
Zwei Sprachen auf dem hohen Niveau der Muttersprache zu beherrschen ist ein großer Pluspunkt in Lebenslauf und Bewerbung und kann in manchen Berufen große Chancen im Ausland ermöglichen - Hohes Selbstbewusstsein
Kinder, die zweisprachig erzogen wurden haben es meist leichter beim Erwerb anderer Sprachen und erfreuen sich toller kognitiver Fähigkeiten. Das macht sie selbstsicher und sozial offen. - Gutes Sprachbewusstsein
Das zweisprachige Erziehen gibt Kindern ein erstaunlich gutes Gefühl für Sprachen. Sie haben oft regelrecht einen sechsten Sinn für Grammatik und können vieles ableiten.
Mögliche Nachteile zweisprachiger Erziehung
- Vermischung der Sprache
Es kann passieren, dass die Kinder nicht zuordnen können, welche Worte welcher Sprache angehören. Das führt zu Vermischungen und Verwirrung der Kinder. Im schlimmsten Fall kann es auch zu einer „doppelten Halbsprachigkeit“ kommen, wenn Kinder in beiden Sprachen Unsicherheiten empfinden. - Überforderung
Oftmals lehnen Kinder eine Sprache ab. Zwar lernen sie eine Sprache zu verstehen, möchten aber (aus den verschiedensten Gründen) diese nicht anwenden. Aus dem hohen Druck der Eltern resultieren schnell Überforderung und Unsicherheiten. - Sprachprobleme
Manche Wissenschaftler und Studien sehen einen Zusammenhang zwischen zweisprachiger Erziehung und dem Stottern. Blickt man allerdings auf Länder wie Luxemburg oder die Schweiz (in denen sehr häufig zweisprachig erzogen wird), kann man dort keine Anhäufung stotternder Kinder finden. - Zwei Sprachen – zwei Probleme
Wenn Kinder unter Problemen bei der Aussprache oder im Verständnis der Grammatik haben, so sind diese Probleme in beiden Sprachen zu beheben, was unter Umständen ein enormer Kraftakt werden kann. - Ablehnung durch andere Kinder
Wie alle Besonderheiten, so kann auch das Beherrschen einer weiteren Muttersprache zu Hänseleien führen. Die zweite Nationalität wird so in den Vordergrund geschoben und wird gerne Zielscheibe für gemeine Hänseleien.
Schulenglisch eignet sich nicht für die zweisprachige Erziehung!
Wie geht man vor, wenn man zweisprachig erziehen möchte?
Am wichtigsten ist es, dass die Person, welche die Muttersprache ihrem Kind nahe bringen möchte, diese auch tatsächlich perfekt beherrscht.
Schulenglisch beispielsweise eignet sich absolut nicht, für die zweisprachige Erziehung. Man stößt zu schnell an Grenzen im sprachlichen Umgang mit dem eigenen Kind, wenn man nicht das volle Vokabular einer Sprache beherrscht. Gerade wenn es um das Vermitteln von Emotionen oder Liebkosungen geht, wird der Umgang aufgrund der fehlenden Worte schnell eigenartig oder es entsteht Stille und man tendiert dazu, in die eigene Muttersprache zu wechseln. Um auch ohne perfekte Sprachkenntnisse ein gutes Sprachgefühl zu vermitteln kann man stattdessen kleine Bücher, Lieder oder Gedichte in einer fremden Sprache in den Alltag einbringen.
Zur gewählten Sprache sollte unbedingt ein intensiver Bezug bestehen.
Kinder möchten verstehen, warum sie eine gewisse Sprache erlernen. Urlaub im passenden Land, Besuch bei Verwandten, welche eben diese Sprache als ihre eigene haben und möglichst viel Austausch durch Krabbelgruppen, Auslandsgemeinden oder ähnliches ist unbedingt nötig um einem Kind die Sprache nahe zu bringen. Die Person, die die zweisprachige Erziehung übernimmt, sollte unbedingt eine Bezugsperson des Kindes sein. Das kann unter Umständen auch ein AuPair sein, welches über Monate oder im besten Fall Jahre Teil der Familie ist.
Es gilt die „1 und 1 Regel“.
Im Umgang mit dem Kind, sollte jeder Elternteil bei seiner Sprache bleiben. In der direkten Ansprache im besten Fall nie in die andere Sprache wechseln. Es ist für das Kind im Grunde völlig unwichtig, in welcher Sprache man mit anderen kommuniziert, aber es wird stets darauf achten, wie die Mutter oder der Vater im direkten Umgang spricht.
Damit sich niemand außen vor fühlt, sollte der Partner die zweite Sprache wenigstens ein wenig beherrschen.
So kann er in Gesprächen zumindest den Inhalt nachvollziehen.
Konsequenz ist das wichtigste um dem Kind Sicherheit zu geben, welche Worte, welche Grammatik und welche Aussprache zu welcher Sprache gehören.
In dem man konsequent bei einer Sprache bleibt, kann das Kind jede Sprache einem Elternteil zuordnen. So erhält es ein Bewusstsein für die einzelnen Sprachen und man verhindert eine Vermischung.
Ebenfalls wichtig ist es, sich darüber im Klaren zu sein, wie konsequent man auch im Sprachgebrauch des Kindes sein möchte.
Darf es in jeder Sprache antworten? Kann es aus Höflichkeit (beispielsweise wenn nur deutsche Kinder anwesend sind) im Umgang mit der Mutter die Fremdsprache meiden? Wie möchte man sich verhalten, wenn das Kind aus Trotz eine Sprache verweigert? Es gilt sich vorher viele, viele Gedanken darüber zu machen, wie intensiv und mit welcher Durchsetzungskraft man den Spracherwerb anstoßen möchte. Unsicherheit ist gerade beim zweisprachigen Erziehen völlig fehl am Platz.
Das Kind wird automatisch immer eine Sprache etwas besser beherrschen.
Die „schwache“ Sprache kann dann immer wieder spielerisch gefördert werden. Es sollte jedoch niemals nach gezieltem Üben aussehen, da Kinder sich dann schnell verschließen. Gezielte Nachfragen über den Tag, was das Kind möchte etc. bringen hier weit mehr.
Wann sollte man Beratung aufsuchen?
Möchte man zweisprachig erziehen, sollte man bei Problemen immer auch Rat aufsuchen um sein Kind optimal zu fördern. Bei jeder Art von Sorge hat man die Möglichkeit beispielsweise Logopäden, Kinderärzte oder interkulturelle Einrichtungen zu kontaktieren.
Man sollte Hilfe suchen, wenn:
- man Unsicherheiten mit den Sprachen empfindet
- das Kind sich weigert mit ihm bekannten Personen zu sprechen
- man nicht genau weiß, welche Sprache man wählen soll
- es mit der zweisprachigen Erziehung Probleme in Schule oder Kindergarten gibt
Emma
Hallo, da ich fast immer alleine mit meinem 20 Monate alten Sohn bin, versuche ich ihn alleine zweisprachig zu erziehen.
Ich spreche am Vormittag nur Deutsch, dann ist Mittagsschlaf und dann rede ich nur unsere Muttersprache mit ihm. Wenn mein Mann da ist dann reden wir beide auf unserer Muttersprache mit ihm.
Irgendwie mache ich mir Sorgen ob das eine gute Idee war. Er spricht zwar ein Bisschen (Muttersprache) und versteht mich auch auf beiden Sprachen ohne Probleme. Aber er spricht weniger als Gleichaltrige.
Lisa
Hallo Emma,
Das klingt ja auch nach einer interessanten Methode. Tatsächlich habe ich vor kurzen auch im Bekanntenkreis von einer Mutter gehört, die täglich lediglich eine Stunde am Tage in die Muttersprache wechselt. Das Kind kennt diesen Prozess aber und scheint dadurch eine klare Linie zwischen den Sprachen ziehen zu können. Denn, das scheint mir wenn dann das größte Problem, wenn Eltern nicht nur bei einer Sprache bleiben. Da du aber ja auch ganz bewusst die Sprachen bestimmten Tageszeiten zuordnest, kann ich mir als Laie gut vorstellen, dass das funktionieren kann. Man sagt ja häufig, dass Kinder die zweisprachig aufwachsen etwas mehr Schwierigkeiten bei der Sprache haben. Genauso oft hört man aber auch das das Können bzgl. des Sprechens in diesem Alter sowieso enorm variiert.
Unser Sohn ist ja Hörgeschädigt. Unsere Dame von der Frühförderung kann selbst jetzt (er ist nun 23 Monate) noch nicht sicher sagen, ob sein Sprachdefizit durch das Hören kommt, weil es nunmal auch völlig gesunde (oder eben einsprachig erzogene) Kinder gibt, die auch noch wenig oder sogar gar nicht sprechen in diesem Alter.
Deshalb hoffe ich machst du dich nicht all zu sehr verrückt! Es ist toll, wenn das Kind auf diese Art die Wurzeln der Familie mit auf den Weg bekommt, wie ich finde!
Daniela
Bitte nicht- da fügt man dem Kind mehr Schaden zu als Gutes. Ein Kind lernt Sprache über Beziehung. Wenn eine Person einmal diese und ein andermal eine andere Sprache spricht wird das Kind verwirrt. Wie soll es antworten? Die Faustregel ist: One Person, one language. Ihr solltet beide Eure Muttersprache mit dem Kind reden, die andere Umgebungssprache lernt das Kind in einer Spielgruppe, Kita, Kindergarten….
Tanja
Hallo,
zu der Faustregel, dass eine Person nur die eine Sprache sprechen sollte, muss ich widersprechen. Es gibt viele Verunsicherungen auf Seiten der Eltern. Wichtig ist, dass man gewisse Trennungsregeln erstellt und konsequent bleibt. Zum Beispiel die Zweitsprache zu einer bestimmten Tageszeit oder zum beim Essen und kochen. Die Kinder verstehen schnell den Unterschied. Es wird zum Ritual. Das sit vor allem eine Lösung für die, die nicht anstreben die Zweitsprache perfekt zu vermitteln.
Liebe Grüße,
Tanja